Presse-Echo - September 2023

HISTORISCHER RÜCKBLICK 125 Jahre Stadtbücherei in Korbach

Freitag, 01. September 2023, Waldeckische Landeszeitung / Lokales

Erster Teil - Jahrelange Überzeugungsarbeit war nötig

VON DR. TOBIAS METZLER





Oben die heutige Stadtbücherei und unten das Geburtshaus der Geschwister Waldeck in der Berndorfer Straße 4 (heute Professor-Bier-Straße): Dort verbrachte Richard Waldeck seine letzten Lebensjahre. Auch seine Privatbibliothek befand sich in dem Haus, das 1961 abgerissen wurde, um die Kirchstraße für den Verkehr zu verbreitern. Die weiteren Bilder zeigen den Grabstein Richard Waldecks im Totenhagen und das Deckblatt des Bestandsverzeichnisses der Richard-Waldeck-Bibliothek aus dem Jahr 1928. Foto: Horst Röhling, Dr. Tobias Metzler, Philipp Daum, Stadtbücherei

Die Korbacher Stadtbücherei feiert dieses Jahr 125-jähriges Bestehen. Gemeinsam mit Büchereileiter Dr. Tobias Metzler blickt die WLZ auf die Entstehungsgeschichte zurück. Im ersten Teil geht es heute unter anderem darum, wie die Idee einer öffentlichen Bibliothek in Korbach entstand.

Korbach – „Unter den Korbacher Bürgern ist ein Verein zu Stande gebracht, in welchem populär gehaltene kleine Bücher und Schriften von den mannigfachen Inhalten gelesen wurden,“ berichtete Ludwig Curtze in einem Jahresrückblick, der 1841 in der Waldeckischen Gemeinnützigen Zeitschrift erschien.

Um den Fortbestand dieser lobenswerten Einrichtung sicherzustellen und literarische Werke einer breiten Bevölkerung zugänglich zu machen, so Curtze weiter, sollte sich „unsere Stadt zu einer kleinen jährlichen Beisteuer verstehen“. Langfristiges Ziel war es, eine ständige Gemeindebibliothek zu errichten. Diese sollte an die Stelle der aus privaten Buchbeständen gespeisten Lesegesellschaft treten. In diesem Vorschlag spiegelten sich allgemeingesellschaftliche Tendenzen der Zeit (siehe Hintergrund).

Auf diese stark vom Geist des Biedermeiers durchdrungene Konzeption einer kommunalen Bibliothek nahm Curtze Bezug, als er die Korbacher Stadtväter von seinem Vorhaben zu überzeugen versuchte. Verwirklichen sollte sich der Plan nicht. Die städtische Verwaltung der alten Hansestadt zeigte zunächst kein Interesse an dem Projekt.

Mit einer Gruppe Gleichgesinnter – unter ihnen Kircheninspektor Philipp Theodor Waldeck (1787 bis 1864), Hermann Schotte (1801 bis 1876), der Prorektor des Fürstlich Waldeckischen Landesgymnasiums Fridericianum und weiteren kirchlichen und schulischen Vertretern unternahm Curtze 1844 einen erneuten Versuch. In einem am 6. November verfassten Gesuch an den Magistrat erklärten die Mitunterzeichner:

„Wir, die gehorsamst Unterzeichneten, haben den Entschluß gefaßt, in hiesiger Stadt unter den Bürgern einen Leseverein und eine sich daraus entwickelnde Bürgerbibliothek zu begründen. (...) Die Bürger würden durch das Lesen vom allzu häufigen Besuche der Wirtshäuser abgehalten, ihnen würden dadurch auch über die Stadtmauern hinausführende Gegenstände vor Augen geführt und ihnen damit ein anderer als der gewöhnliche Stoff zur Unterhaltung dargeboten, sie verführen nützliche Wahrheiten, die auf ihr materielles und allgemeines Wohlsein günstigen Einfluß ausüben könnten, und ihr Geist würde für Gemeinsinn und öffentliche Wohlfahrt, für zeitgemäße Verbesserungen in den bürgerlichen und kirchlichen Verhältnissen empfänglich gemacht.“

Am 11. November 1844 antwortete der Magistrat und verwies darauf, dass man nicht befugt sei, für die Einrichtung einer Lesegesellschaft aus den städtischen Mitteln einen jährlichen Beitrag beizusteuern. Auch in späteren Jahren blieben die sporadischen Versuche, von der Stadt finanzielle Zuwendungen für die Versorgung der Bevölkerung mit Lesestoff zu erwirken, erfolglos.

Zeitungen, Journale und Bücher wurden zu Massenprodukten

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatten technische Innovationen bei der Papierproduktion und der Drucktechnik eine zweite Medienrevolution ausgelöst. Diese machten es möglich, dass Druckerzeugnisse wie Zeitungen, Journale und Bücher Massenprodukte wurden. Die Entwicklung eines staatlichen Elementarschulwesens und die steigende Alphabetisierungsrate waren weitere Faktoren, die zu wachsender Nachfrage nach Gedrucktem beitrugen. Im Zuge dieser Entwicklungen begannen exklusive höfische Bibliotheken ihre Bestände einer breiteren Leserschaft zu öffnen. Andernorts entstanden Lesegesellschaften oder kommerzielle Leihbibliotheken.

Im sächsischen Großhain hatte Amtmann Karl Benjamin Preusker mit dem Arzt und Dichter Emil Reiniger 1828 ein für den deutschen Sprachraum bis dahin beispielloses Experiment unternommen: Sie riefen eine Bibliothek ins Leben, die allen Bevölkerungsgruppen gleichermaßen zur Verfügung stehen und so „das ganze Kulturleben einer Stadt“ durchdringen sollten. Darüber hinaus sollte sie der „Pflege von Gemüt und ethischen Anlagen, Grundlage für Gewerbe- wie für Jugendbildung“ dienen.  met

Freitag, 01. September 2023, Waldeckische Landeszeitung / Lokales

Erst Entengasse, danach in zwei Schulen: Bücher zogen oft um


Schule am Enser Tor in Korbach: Dort wurden die Bücher damals nicht fachgerecht gelagert. Nachdem sie Schimmel angesetzt hatten, zog der Bestand in die heutige Westwallschule um. Foto: Philipp Daum

Es sollte fast ein halbes Jahrhundert dauern, bis ein neuer Anlauf zur Gründung einer Bibliothek in Korbach unternommen wurde. Anstoß dazu gab der Tod des Privatgelehrten Richard Waldeck. Zu seinen Schülern zählten auch Albert Leiß (1852 bis 1929) und August Bier (1861 bis 1949). Heinrich Münch – später Konrektor der Korbacher Bürgerschule – erinnerte sich Jahre später an lange Spaziergänge in der Umgebung Korbachs, auf denen Waldeck ihm fremdsprachigen Konversationsunterricht erteilte.

Nach dem Tod Richard Waldecks nahm Münch Kontakt zu dessen Schwestern auf und bat sie, die Privatbibliothek Waldecks der Stadt als Grundstock für eine öffentliche Bücherei zu vermachen. Zusammen mit anderen ehemaligen Privatschülern Waldecks entstand der Plan, im frei werdenden Gebäude der Färberei Calmon Kohlhagen am Altstädter Markt eine Bibliothek einzurichten. Diese sollte eine Volksbibliothek, Lese- und Vortragsräume umfassen, sowie eine wissenschaftliche Abteilung, deren Kernstück die Waldecksche Privatsammlung bilden sollte. Um eine dauerhafte Unterhaltung zu sichern, wandten sich die Initiatoren wieder an den Magistrat. Jedoch scheiterte der Versuch, die Verantwortlichen für den Plan zu gewinnen erneut. Durch Vermittlung Albert Leiß‘ wurde die Privatbibliothek Waldecks daraufhin nach Göttingen verkauft. Es folgten langwierige Verhandlungen zwischen den Erben des Verstorbenen und der Stadt über die Gründung einer Stiftung, deren Zweck es sein sollte, eine öffentliche Bibliothek in Korbach einzurichten.

Am 24. August 1898 unterzeichneten die Schwestern Hedwig und Lina die Stiftungsurkunde, mit der sie der Stadt Korbach die Summe von 1800 Mark aus dem Verkauf der Bücher ihres Bruders vermachten. Am 10. September 1898 nahm die Korbacher Gemeindevertretung die Stiftung an und berief eine Kommission, die mit der Einrichtung und Verwaltung der Bücherei betraut wurde. Die in der Folge gekauften Bücher wurden in einen Raum in der Spielschule des Frauenbundes in der Entengasse verbracht, wo sie sonntäglich ausgeliehen wurden. Das Interesse an der neuen Bücherei war so groß, dass oft bis zu 80 Bände an wenigen Nachmittagsstunden von Ehrenamtlichen über die Ausleihtheke gereicht wurden.

Nach dem Tod Hedwig Waldecks am 26. März 1908 erhielt die Stadt eine weitere Stiftung in Höhe von 1500 Mark, „welche den Zweck haben soll, den Grundstock der Richard-Waldeck-Volksbibliothek zu stärken”. Im Begleitschreiben ihrer Schwester Lina hieß es: „Wir hoffen, daß durch vermehrte Mittel mit der Zeit vielleicht noch mal was Besseres werden könne, wie es wohl jetzt ist.“

Die Hoffnungen sollten sich zunächst nicht erfüllen. Wenige Jahre später musste ein neuer Standort für die Bibliothek gefunden werden, da der ursprüngliche Büchereiraum in der Spielschule anderwertig benötigt wurde. Daraufhin wurde der Buchbestand in die Schule am Enser Tor verbracht und man übertrug es dem dortigen Schuldiener, sich darum zu kümmern. Nach dessen Tod übernahm Lehrer Schnare die Aufsicht. Nachdem dieser jedoch 1916 zum Kriegsdienst eingezogen worden war und die Heeresverwaltung die beiden benachbarten Schulgebäude für Büros und Stapellager requirierte hatte, wurde die Bibliotheksbände kurzerhand in den Kellerräumen der Schule eingelagert.

Dort nahmen die Bücher alsbald Schaden und setzten Schimmel an. Der in Hamburg wirkende Chirurg und Professor Hermann Kümmell setzte sich dafür ein, dass die Bücher fachgerecht gereinigt wurden und in einen trockenen Raum in der oberen Schule (der heutigen Westwallschule) umzogen. Durch das ehrenamtliche Engagement Frau Marie Engelhards (geb. Waldeck) und unterstützt durch Fräulein Schachtebeck und später Fräulein Scipio, wurde der Bestand katalogisiert und erweitertet. Auch war es wieder möglich, die über 1400 Bände an den Sonntagnachmittagen des Winterhalbjahres zu entleihen. Allerdings sollte die Bücherei auch hier nicht dauerhaft bleiben und in der Folgezeit an zahlreichen anderen Standorten untergebracht werden.  met

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125 JAHRE BÜCHEREI IN KORBACH

Montag, 11. September 2023, Waldeckische Landeszeitung / Lokales

Jubiläum mit Musik und Zeit zum Lesen

Bücher bringen Menschen zusammen

VON WILHELM FIGGE



Korbach – Es ist Sonntagnachmittag – und die Stadtbücherei ist voll: Normalerweise wäre Ruhetag, zum 125-jährigen Bestehen wurde zum großen Fest eingeladen. Die inmitten von mehr als 100 000 Büchern und weiteren Medien versammelten Besucher tauchen dabei zuerst einmal alle in die selbe Geschichte ein: Schülerinnen und Schüler der Humboldt-Schule haben ein Hörspiel zu „Die Rüpelbande“ eingesprochen – die Abenteuer von Troll, Geist und Hexe hatten sie sich dafür in der Stadtbücherei geliehen, verrät deren Leiter Dr. Tobias Metzler.

Nicht nur so bringen Bücher Menschen zusammen: Viele Gäste nutzen den gemütlichen Sonntagnachmittag, um durch die Räume zu schlendern. Familie Metz aus Korbach besteht fast ausschließlich aus Stammgästen des Hauses und absolviert die Rallye mit Fragen über die Bücherei und die dort erhältlichen Werke – wer eine Antwort nicht weiß, findet sie vor Ort heraus, sagt Peter Metz. Seltener da waren bislang Mona Hofmann und Tochter Edda – sie hat im Hörspiel mitgemacht. Doch den Besuch der Bücherei nutzen sie für Entdeckungen.

Dass die Stadtbücherei viele Freunde hat, wird schnell klar: Wer wollte, konnte Zettel mit der Aufschrift „Ich liebe die Stadtbücherei, weil...“ ausfüllen. Die gesammelten Werke wurden am Geländer inmitten der Parkrotunde aufgehängt und offenbaren viele Gründe: Ein Achtjähriger staunt über die vielen Bücher, die er sich ausleihen kann, eine 101-Jährige dankt den Mitarbeitern, die sich immer Zeit nehmen. Die Bücherei bereichere das Stadtbild – und schaffe Rückzugsorte, an denen Leser sich in Bücher fallen lassen können. Dem einen hilft sie, schneller Deutsch zu lernen, Autoren begrüßen, wie sie mit Veranstaltungen das Kulturleben am Laufen hält.

Auch in zwei Wettbewerben haben Freunde der Bücherei sich eingebracht: einmal mit Werbevideos, einmal beim Schreiben – egal, ob Gedicht, Sketch oder Kurzgeschichte, nur um die Stadtbücherei musste es gehen. Bei den Erwachsenen geht der erste Preis an Marion Weigel vor Frank Mause und Dr. Heinrich Knoche; bei den Kindern werden Marie Engel und Lotta Metz geehrt. Den besten Film hat Amelie Seifert gedreht. Gerne würde er die Sieger noch zu einer Lesung zurück ins Haus holen, kündigt Tobias Metzler an.

Während es in der Bücherei eher leise zugeht, tobt draußen auf der Rotunde das Leben: Gäste jeden Alters genießen bei Sonnenschein und blauem Himmel Kaffee und Kuchen sowie kühle Getränke. Zwei Künstler entzücken dabei vor allem die kleinen Gäste – aber nicht nur sie: Martin Pfeiffer aus der Nähe von Gießen ist seit sieben Jahren mit Kinderliedern von den Alpen bis zur See unterwegs. Mit Gitarre und Drum-Computer will er bekannte Songs fetzig darbieten und die Zuhörer zum Mitmachen bewegen – mit Erfolg: Beim Ende des ersten Lieds sind die Kinder voll dabei. Sie singen und tanzen mit – und drehen mit dem Sänger schon mal eine Polonaise um die Rotunde.

Die Künstlerin „Lila“ hat derweil alles im Gepäck, was es für Seifenblasen braucht: Eingebettet in ein kurzes Comedy-Programm lässt sie kleine wie große Zuschauer staunen: mit riesigen Seifenblasen ebenso wie mit solchen in Schneeflockengröße. Und zum Schluss bringt sie den Kindern ihre Tipps und Tricks bei.

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