Buch des Monats - Februar 2023

 

Der Erinnerungsfälscher

AutorIn:  Abbas Khider
Einband: Gebundene Ausgabe
Erscheinungsdatum: 24.01.2022
Verlag: Carl Hanser
Seitenzahl: 128
Auflage: 3. Auflage

Vorgestellt von Marie-Luise Lindenlaub



Abbas Khider wurde in Bagdad 1973 geboren. Mit 19 Jahren wurde er wegen politischer Aktivitäten verhaftet. Nach seiner Entlassung floh er aus dem Irak, kam durch mehrere Länder und lebt seit 2000 in Deutschland. Er studierte Literatur und Philosophie in Potsdam und München.

Said Al-Wahid lebt - wie sein Autor - in Berlin. Mit seiner alten Heimat hat er abgeschlossen. Nie mehr will er dorthin zurückkehren. Dann erhält er die Nachricht, dass seine Mutter im Sterben liegt. Er beschließt hinzufahren, um sie noch einmal zu sehen. In seiner Erinnerung taucht seine Flucht auf, das Asylverfahren, die Demütigungen und Verdächtigungen. Und daneben die vielen Erinnerungen an seine Kindheit. Er will seine Mutter noch einmal fragen, ob sie mit ihm gespielt hat als er Kind war. Das weiß er nicht mehr. Ãœberhaupt hat er auch viel vergessen. Manchmal weiß er nicht, ob das, was er zu erinnern glaubt, wirklich zu ihm gehört oder ob ein ganz anderer Mensch ihm auf seinem Fluchtweg davon erzählt hat.

Nach seiner Flucht vor vielen Jahren war er nur noch zweimal in der alten Heimat, und jedes Mal hat er sie ein bisschen mehr verloren. Immer, wenn er zu Besuch bei seiner Mutter war, musste er Angst vor der Willkür der Behörden haben und war froh, wenn er den Besuch heil überstanden hat. In Deutschland aber war das Leben auch nicht ohne Probleme. Aufgrund seines guten Aussehens war er unterschiedlichen Schikanen ausgesetzt mit denen er zu kämpfen hatte. Anhand der Erlebnisse von Said zeigt Abbas Khider sehr plastisch, wie verstörend die deutsche Gegenwart für einen Menschen mit dunkler Haut- und Augenfarbe und wie prägend seine zurückliegenden Erlebnisse sind. Eine traumatische Erfahrung vergeht nicht einfach, sie ist immer wieder da, wenn die Umstände sie aus den Tiefen des Gedächtnisses hervorholen. Auf seiner Reise nach Bagdad zu seiner sterbenden Mutter tauchen diese Bilder wieder auf, Momentaufnahmen, Bruchstücke, Miniaturen. Nicht alle lassen sich zusammenfügen, einzelne Teile sind durch ein Loch im Gedächtnis verloren gegangen.

Abbas Khider gelingt es, in diesem schmalen Buch spürbar werden zu lassen, wie tief Krieg, Folter und Verlust einen Menschen prägen und wie absurd und lustig trotz allem das Leben sein kann. Es ist ein auf vielen Ebenen ergreifender und trotz oder wegen all dem Schmerz, der sich wie ein Grundton durch den Text zieht, ein zutiefst lebensbejahender und tröstlicher Roman.

Ausleihe bei der Stadtbücherei
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